Durch Schauspiel Online-Sucht vorbeugen
Das Tourneetheater des „Weimarer Kulturexpress“ spielt zum Thema Social-Media-Sucht vor Schülerinnen und Schüler der achten, neunten und elften Klassen sowie dem VABO und AVdual der Sibilla-Egen-Schule.
Wer kennt das nicht? Freunde treffen sich im Park oder in der Eisdiele, einfach mal wieder ein bisschen die Seele baumeln lassen, zusammen kichern und über das Neueste quatschen. Doch eine bzw. einer ist nur halbherzig anwesend, hängt pausenlos über dem Handybildschirm, denn die schnelle Welt des Internets, der sozialen Netzwerke und der Online-Kommunikation könnten einen ja etwas Wesentliches verpassen lassen. „Du bist schon voll der Suchti“, würde man da am liebsten hinausschreien, um den anderen wachzurütteln und endlich wieder in die Realität zurückzuholen. Im Theaterstück „Online“, das die Schülerinnen und Schüler der Sibilla-Egen-Schule im Juni im Rahmen des schulischen Sucht-Präventions-Programms besuchten, musste sich die Protagonistin genau diesem Vorwurf stellen.
Das Stück thematisiert die Geschichte der Schülerin Jule, die, nachdem sie zum Geburtstag ein schnelleres und moderneres Smartphone geschenkt bekommen hat, immer tiefer in den Sog der digitalen Welt gerät. Hier, so glaubt das junge Mädchen, werde sie endlich als wirklich wichtig wahrgenommen. Durch die Faszination der neuen Lebenserfahrung von Social Media und Co. beginnt sie ihr reales Umfeld, wie Mutter, Freunde und schulische Aufgaben zunehmend zu vernachlässigen. Am Ende muss sie aber der Realität ins Auge sehen und erkennen, dass sie im Umgang mit dem neuen Mobiltelefon eine suchtartige Abhängigkeit entwickelt hat.
Eine lebensferne Geschichte? Wohl kaum! Nach der 65-minütigen Vorstellung bot sich den Schülerinnen und Schülern noch die Gelegenheit, mit den beiden Schauspielerinnen direkt in Kontakt zu treten, Fragen zu stellen und über die dargestellte Problematik zu diskutieren. Bei der Frage seitens des Schauspielduos, wer von den Jugendlichen täglich etwa eine Stunde Zeit mit dem Handy verbringe, meldete sich keiner der rund 140 Schüler. Auf die Frage, bei wem es mehr als fünf Stunden täglich seien, füllten allerdings mehrere erhobene Hände den Raum.
„Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, das junge Ensemble des Weimarer Kulturexpresses zum Schuljahresende doch noch zu diesem wichtigen Thema an unsere Schule zu holen“, so die Präventionsbeauftragte Elisabeth Jakobs, die das Event zusammen mit Schulsozialarbeiterin Lea Mack organisierte. Als freie Theatergruppe konzentriert sich der Weimarer Kulturexpress fast ausschließlich auf jugendliche Zuschauer und Schulklassen und macht diese bei seinen Auftritten auf aktuelle und schülerrelevante Themen aufmerksam. Mehrmals musste wegen pandemiebedingter Einschränkungen und Zwischenfällen die Vorstellung an der Sibilla-Egen-Schule abgesagt und verschoben werden. Diesem Umstand war auch der leicht improvisierte Charakter des jetzigen Aufführungsortes zuzuschreiben: Anstelle in der großen Sporthalle, die bis auf weiteres im Stand-by-Modus für mögliche weitere ukrainische Geflüchtete bereitsteht, wurde das Theater in einer kleineren Halle ohne Bühne aufgeführt. Wenn der Szenerie so auch auf Klappstühlen und Turnmatten gefolgt werden musste, so tat dies der Eindrücklichkeit des frischen und modernen Theatererlebnisses aber keinen Abbruch. Damit wurde die Veranstaltung selbst zum Beweis dafür, dass es keiner digitalen Paralleluniversen bedarf, um sich in andere Welten versetzen zu lassen. Mit dem wichtigen Hinweis auf mögliche Anlaufstellen, sollte jemand sich mit Jules Erlebnissen identifizieren können und bei sich oder Freunden Tendenzen einer Social-Media-Sucht erkennen können, endete die Veranstaltung.
Bericht: Katharina Link